Teure Nachlässigkeit: Warum Arbeitgeber auf Arbeitszeiterfassung nicht verzichten sollten

Teure Nachlässigkeit: Warum Arbeitgeber auf Arbeitszeiterfassung nicht verzichten sollten

Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen sorgt für Aufsehen – und sendet ein deutliches Signal an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Wer die Arbeitszeiten seiner Beschäftigten nicht systematisch erfasst, riskiert im Streitfall hohe Nachzahlungen. Der Fall einer Kfz-Werkstatt zeigt, wie schnell fehlende Dokumentation zur Kostenfalle werden kann.

Über 3.300 Überstunden – und keine Kontrolle
Die betroffene Kfz-Werkstatt hatte eine Mitarbeiterin als Lageristin und kaufmännische Angestellte mit einer vertraglich vereinbarten Teilzeitstelle über 24 Wochenstunden angestellt. Tatsächlich, so die Mitarbeiterin, arbeitete sie regelmäßig von Montag bis Freitag jeweils von 8:00 bis 18:00 Uhr – abzüglich einer Stunde Pause – sowie gelegentlich auch samstags. In drei Jahren sammelten sich auf diese Weise mehr als 3.300 Überstunden an, die sie nun einklagte.

Die Werkstatt hingegen wies die Forderung zurück: Es sei schlicht unrealistisch, dass jemand über Jahre hinweg eine solche Mehrarbeit leiste, ohne dies jemals zu melden oder eine Vergütung einzufordern. Man sprach von „frei erfundenen Behauptungen“.

Gericht urteilt zugunsten der Mitarbeiterin
Zunächst gab das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber recht – doch in der Berufung wendete sich das Blatt. Das LAG Niedersachsen stellte sich auf die Seite der Klägerin (Urteil vom 09.12.2024 – 4 Sa 52/24). Grundlage für die Entscheidung war die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Arbeitnehmer zwar ihre Überstunden konkret darlegen müssen – Arbeitgeber aber wiederum in der Beweispflicht sind, wenn sie diese Angaben bestreiten wollen.

In diesem Fall konnte die Klägerin ihre Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten des Betriebs in Einklang bringen und hatte ergänzende Kalendereinträge als Nachweise vorgelegt – wenn auch erst auf Aufforderung ihres Anwalts und nachträglich erstellt. Für das Gericht reichte das aus. Das Fehlen eines Zeiterfassungssystems wurde dabei explizit zum Nachteil der Werkstatt gewertet.

Ohne Zeiterfassung kaum eine Chance zur Gegenwehr
Das Urteil verdeutlicht ein grundsätzliches Problem: Arbeitgeber sind nahezu chancenlos, wenn sie Überstunden bestreiten wollen, ohne selbst eine lückenlose Arbeitszeiterfassung vorlegen zu können. Zwar ist die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG) nicht neu – dennoch verzichten viele Unternehmen, insbesondere kleinere Betriebe, aus bürokratischen Gründen darauf.

Doch der Fall zeigt: Diese Nachlässigkeit kann teuer werden.

Prävention statt Prozess – warum sich Zeiterfassung lohnt
Ein funktionierendes System zur Erfassung der Arbeitszeit schützt nicht nur vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, sondern hilft auch, interne Abläufe transparenter zu gestalten. Besonders in Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeiten, Teilzeitmodellen oder unklaren Aufgabenverteilungen ist ein solcher Nachweis unverzichtbar.

Fazit: Wer keine Arbeitszeiterfassung führt, gibt im Streitfall ein wichtiges Verteidigungsmittel aus der Hand. Das Urteil aus Niedersachsen dient als warnendes Beispiel – und als Appell, rechtzeitig zu handeln.

Quelle: kfz-betrieb